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Die Hydra des Dschihadismus

Entstehung, Ausbreitung und Abwehr einer globalen Gefahr | Asiem El Difraoui

E-Book
2021 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
350 Seiten
ISBN: 978-3-518-74808-4

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Kurztext / Annotation

Nachdem der »IS« in Trümmern lag und »Kalif« al-Baghdadi im Oktober 2019 von US-Truppen getötet wurde, schien der »Krieg gegen den Terror« einmal mehr beendet. Aber der Dschihadismus ist längst eine globale Bewegung geworden, der Dutzende von Organisationen angehören - und mit Gewalt allein ist ihr nicht beizukommen.
Seit drei Jahrzehnten verfolgt Asiem El Difraoui als Filmemacher, Journalist und Wissenschaftler diese Entwicklung. Er traf Kampfgefährten bin Ladens in Khartum und PR-Strategen, die in Berlin-Charlottenburg Propagandavideos produzierten. In Kriegsgebieten wie Bosnien, dem Irak oder in Afghanistan hat er selbst den Terror gegen die Bevölkerung miterlebt. Und immer wieder kam der Terror auch zu ihm, wie in Gestalt der Anschläge 1995 und 2015 in Paris, die sich in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ereigneten.
Kenntnisreich und anschaulich schildert Difraoui, wie der Dschihadismus entstanden ist, wie seine Denkmuster und PR-Strategien sich gewandelt haben und woraus die Hydra ihre Kraft bezieht. Was macht die todbringende Ideologie gerade auch für junge Menschen in Europa attraktiv? Welchen Anteil hat der Westen, haben die Medien an ihrem Erfolg? Und wie kann es gelingen, ihre Macht zu brechen? Ein aufrüttelnder Appell, sich einer der größten Gefahren der Gegenwart zu stellen.



Asiem El Difraoui, geboren 1965, war schon immer ein Reisender und Mittler zwischen den Kulturen. Als Sohn eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter wuchs er in der Nähe von Frankfurt auf, studierte in London undKairo und promovierte in Paris bei Gilles Kepel. Er gilt heute als einer der führenden europäischen Experten zum Thema Dschihadismus, berät deutsche und französische Regierungsorgane und kommentiert auf ARD, BBC und CNN.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Die Hydra: Einleitung

Paris, November 2015. Ein lauer Abend, es fühlt sich an wie im September. Ich bin mit einer Freundin verabredet, wir wollen ihre neue Wohnung und ihren neuen Job feiern mit einem Abendessen in einem gastro bistro. Das sind kleine Restaurants, die von jungen Küchenchefs betrieben werden und allerorten in Paris eröffnen.

Clown Bar, so lautet der Insidertipp für den Abend. Ich rufe mittags an, um einen Tisch zu reservieren, aber das Restaurant ist bereits ausgebucht. Zwei Kilometer weiter im Westen finden wir eine gute Alternative, feine, innovative Küche, lässig schicke Pariser an den anderen Tischen.

Es ist ein schöner Abend - bis ein junger Mann am Nebentisch auf sein Handy schaut: Nicht weit von hier habe es Anschläge gegeben, ruft er in den Raum, mit vielen Toten, vor allem im Konzertsaal Bataclan. Meine Begleitung und ich blicken uns an. Das Bataclan liegt gleich um die Ecke von der Clown Bar, wo wir eigentlich hinwollten. Fast jeder im Restaurant greift nach seinem Smartphone. Wie wir lesen, sind offenbar auch auf den Terrassen umliegender Bistros Menschen erschossen worden. Später erfahre ich, ein guter Freund war mitten im Kugelhagel - wie durch ein Wunder ist er unversehrt davongekommen, zumindest körperlich: Das Blutbad, bei dem er mit seiner Begleiterin, einer Ärztin, bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter mehr als eine Stunde später Erste Hilfe leistet, wird ihn traumatisiert hinterlassen.

Nachrichten treffen ein über Anschläge vor dem Stade de France, wo gerade Frankreichs Fußballnationalmannschaft gegen Deutschland spielt. Drei Selbstmordattentäter sprengten sich davor in die Luft - zum Glück gelangten sie nicht in das mit rund 80000 Menschen gefüllte Stadion. Zunächst werden an diesem Abend zwanzig Tote gemeldet. Dann vierzig. Auf dem hastigen zehnminütigen Nachhauseweg sind es schon achtzig. Zu Hause angekommen: hundert. Die Attentäter, heißt es in den Medien, hätten »Allahu Akbar« geschrien.

In diesen Stunden erlebe ich ein Déjà-vu nach dem anderen. Mein Lieblingsrestaurant in Bagdad: von einem Selbstmordattentäter weggesprengt. Das Hotel Palestine in der irakischen Hauptstadt wurde ebenso wie das Pearl Continental mit dem schönen Garten in Peschawar, Pakistan, durch Sprengsätze verwüstet. Die Sinai-Halbinsel in Ägypten, wo ich tauchen lernte - von zahlreichen Anschlägen auf Hotels heimgesucht. Und nun hat es meine Wahlheimat Frankreich mitten ins Herz getroffen, die bei jungen Parisern so beliebten 10. und 11. Arrondissements. 130 Tote werden es am Ende sein.

Gegen ein Uhr nachts mache ich das Radio aus und höre Musik. Schlafen gehen, denke ich, der Morgen wird Rat bringen, bin aber völlig ratlos. Eigentlich wollte ich am nächsten Tag nach Clermont-Ferrand im Zentralmassiv zu einer kleinen Buchmesse fahren, die auf Reisebücher spezialisiert ist. Ich hatte mich lange darauf gefreut, dort mein politisches Reisetagebuch Ein neues Ägypten? vorzustellen. Nun ahne ich, dass ich in den nächsten Tagen nicht Herr meiner Zeit sein werde, das Telefon wird nicht aufhören zu läuten. Am nächsten Morgen, einem Samstag, erklärt Frankreichs Präsident Hollande den Ausnahmezustand. Der sogenannte Islamische Staat bekennt sich zu den Attentaten.

Zwei Tage nach dem Anschlag sind die Terrassen der Cafés, Bars und Bistros an den Boulevards Voltaire und Richard-Lenoir erneut brechend voll, auf den Trottoirs Menschenmassen. Die Pariser wollen sich nicht einschüchtern lassen - jetzt erst recht nicht. Sie wollen der Welt zeigen, dass sie auch durch die schlimmsten Attentate, die Frankreich je erlebt hat, nicht kleinzukriegen sind. Doch plötzlich fangen alle um mich herum an zu rennen, suchen Schutz in einer Tiefgarage,