Buchhandlung Herder

Suche

Das Gespenst der InflationOverlay E-Book Reader

Das Gespenst der Inflation

Wie China der Schocktherapie entkam | Von der Erfinderin der Gaspreisbremse | Isabella M. Weber

E-Book
2023 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
544 Seiten
ISBN: 978-3-518-77554-7

Rezension verfassen

€ 27,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Hardcover erhältlich
Kurztext / Annotation

Ein Lehrstück über den Umgang mit Preissteigerungen

Nach dem Ende von Maos Herrschaft stand die politische Führung in China Ende der siebziger Jahre vor gewaltigen Problemen: Wie sollte sie das bankrotte Wirtschaftssystem neu erfinden? Wie eine galoppierende Inflation vermeiden, die als Schreckgespenst durch das Land spukte? Durch Schocktherapie oder schrittweise Reformen? Letztendlich obsiegten die Kräfte, die für einen staatlich gelenkten Wandel plädierten. Anders als Russland, das nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in einen katastrophalen Abwärtsstrudel geriet, erlebte China einen beispiellosen Aufstieg.

Isabella M. Weber, eine der bedeutendsten Ökonominnen ihrer Generation, zeichnet in ihrem hoch gelobten Buch die damaligen Debatten um die Neugestaltung des chinesischen Wirtschaftssystems minutiös nach und ordnet diese Diskussionen in die langen Traditionen des ökonomischen Denkens im Reich der Mitte und des Westens ein. Insbesondere zeigt sie, wie es gelang, die Inflation zu begrenzen. Chinas Weg zurück in die Weltwirtschaft, so Weber, ist nicht nur die Geschichte einer einzigartigen Transformation. Angesichts der Verwerfungen auf den Energiemärkten und der dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten sind die Auseinandersetzungen um Preiskontrollen und andere staatliche Eingriffe zudem lehrreich für aktuelle Debatten.



Isabella M. Weber, geboren 1987 in Nürnberg, ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie durch ihren (gemeinsam mit dem Volkswirt Sebastian Dullien) ins Gespräch gebrachten Vorschlag eines Gaspreisdeckels bekannt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

7Vorwort zur deutschen Ausgabe

Als ich dieses Buch schrieb, konnte ich nicht ahnen, welche wirtschaftspolitische Relevanz es kurz nach seiner Veröffentlichung bekommen sollte. Die englische Originalausgabe erschien im Mai 2021. Große Teile der Welt befanden sich wegen der Covid-19-Pandemie immer noch im Lockdown. Europäische Staaten und die USA griffen auf lange nicht gekannte Art und Weise in die Wirtschaft ein. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation im Frühjahr 2020 den Ausbruch einer Pandemie erklärt hatte, plädierten renommierte US-Ökonomen gar für eine Rückkehr zu einer Art Kriegswirtschaft. Eine solche Planwirtschaft wurde nicht von heute auf morgen eingeführt. Aber Regierungsentscheidungen und die Launen des Virus machten dem Markt als Herren der Wirtschaft ernst zu nehmende Konkurrenz. Staaten entschieden, wer zur Arbeit gehen durfte und wer zu Hause bleiben musste und welche Unternehmen ihre Produktion fortsetzen und welche sie vorübergehend einstellen mussten. Praktisch über Nacht veränderten die Konsumenten ihr Verhalten. Sie wollten nun Küchenmaschinen statt Mahlzeiten in Restaurants; Tulpenzwiebeln statt Flugtickets; Fahrräder statt Bahnfahrten usw. Es kam zu plötzlichen Verschiebungen entlang der vielen Wertschöpfungsketten in der globalisierten Wirtschaft. Inputs fehlten, weil Fabriken auf der anderen Seite des Planeten geschlossen wurden oder Chaos an den Häfen zu scheinbar endlosen Verzögerungen führte. Die Überflussgesellschaften, die daran gewöhnt waren, dass die Waren der Welt nur einen Klick entfernt waren, sahen sich auf einmal mit der Gleichzeitigkeit von Knappheit und Überangebot konfrontiert.

Mit einem Mal war Sand im Getriebe des globalen Produktionsnetzwerks, das noch vor Kurzem wie ein Uhrwerk funktioniert hatte. Das führte zu weitreichenden Verwerfungen, die der Preismechanismus nicht auf die Schnelle korrigieren konnte: Auch mit Preissenkungen konnte man die Menschen nicht in die Restaurants oder an die 8Flughäfen zurücklocken, solange Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen untersagt waren oder die Kunden aus Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben fernblieben. Preissteigerungen wurden hingegen dort zur Norm, wo Unternehmen ihr begrenztes Inventar mit unsicheren Aussichten auf Neulieferungen zu höheren Preisen verkauften. Handelte es sich um die Preise verzichtbarer Luxusgüter, bescherten die Preissteigerungen so manchem Unternehmen gute Gewinne. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, waren sie indes ohne größere Konsequenz. Als jedoch die Preise essenzieller Produktionsinputs wie Chemikalien, Öl, Gas, Nahrungsmittel und Rohstoffe sowie essenzieller Dienstleistungen etwa in der Logistik in die Höhe schnellten, kam es zu einem Kostendruck, der bald gesamte Volkswirtschaften erfasste und zur Rückkehr der Inflation beitrug.

Die meisten Ökonomen in Europa und den USA hatten sich lange Zeit nicht mehr mit dem Thema Inflation auseinandergesetzt. Ein galoppierender Preisanstieg war in den reichen Ländern zuletzt in den siebziger Jahren ein Problem gewesen. In den Jahrzehnten der Globalisierung hatte man sich an stabile Preise gewöhnt. Manche konservativen Ökonomen warnten dennoch, die großen Rettungspakete, die zur Bekämpfung der durch die Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Schwierigkeiten verabschiedet worden waren, würden Inflationsdruck zur Folge haben. Die Zentralbanken, so forderten sie, sollten umgehend die Zinsen erhöhen. Viele progressive und liberale Ökonomen hielten dagegen: Es bestehe kein Handlungsbedarf, weil die punktuellen Preisanstiege keine wirkliche Inflationsgefahr darstellten. Auch gebe es keinen hinreichenden Nachfrageüberhang.

Die Forschungen, die diesem Buch zugrunde liegen, werfen ein anderes Licht auf die Dinge. Chinas Marktreformen in den achtziger Jahren bilden den historischen Fokus der folgenden Kapitel. Thematisch steht die Inflationsgefa